Ein bisschen steckt ein Adrenalin-Junkie in mir. Ich mag die Höhe, den kurzen Schwindel, den Adrenalineinschuss und das Hochgefühl, das sich dann für einen kurzen Moment einstellt, wenn man sich vom 7 Meter hohen Schwimmbadturm ins kühle Nass stürzt oder im Freizeitpark mit dem Freifallturm der Erde entgegensaust. Wer das auch mag oder der Höhe sportlich gegenübertreten will, der sollte unbedingt einmal Klettern gehen.
Kurz vor dem Corona Shutdown waren wir noch in der Kletterhalle Clip n Climb Niederrhein - die perfekte Alternative für Kletterfreunde, wenn das Wetter oder
die Jahreszeit kein Open-Air-Klettern zulässt. Doch klettern in der freien Natur mit Blick in den Himmel hat
natürlich viel mehr Atmosphäre als in einer geschlossenen Halle. Es ist schon ein anderes Feeling, wenn man die Bäume ausnahmsweise mal von oben statt von unten umarmt, auf schmalen Drahtseilen
balanciert, in schwindelerregender Höhe mit dem Skateboard von einem Baum zum anderen surft oder mit der Seilbahn der Erde entgegenfliegt. Das alles kann man jetzt (wieder) im Kletterwald Niederrhein, der just von den Süchtelner Höhen
nach Hinsbeck umgezogen ist. Der Umzug war wohl nötig und nachvollziehbar. Direkt zweimal haben die Stürme Friederike und Eberhard die Süchtelner Höhen und den Kletterwald dem Erdboden
gleichgemacht. Das tat mir damals sehr, sehr leid für den schönen Kletterwald, in dem sich so immens toll und abenteuerlich klettern ließ. Umso erfreulicher, dass sich das Team bzw.
der Betreiber nicht von den Naturgewalten unterkriegen ließen! Weder von Friederike noch von Eberhard und auch nicht von Corona. Da muss probegeklettert werden, entscheide ich und plane mit
meinem Mann und meiner 12jährigen Tochter einen Samstagnachmittag in Hinsbeck.
Die Tickets sind online auf der Webseite erhältlich und bis auf die, zur Zeit üblichen, Corona-Standard-Regeln, wie Abstand halten, Mundschutz bei der Einweisung tragen (beim Klettern nicht notwendig) und an Desinfektion denken (Spender stehen in der Anlage bereit) muss man nicht viel beachten. Am besten schlüpft man zu Hause in die Sportklamotten (bequeme Jeans geht auch) und in festes Schuhwerk und gibt ins Navi die neue Adresse ein: Heide 1 in 41334 Nettetal-Hinsbeck (direkt neben der Jugendherberge). Geparkt wird auf dem großen Parkplatz, am Spielplatz und Eingang des Kletterwalds. Noch kurz auf die Toilette (ebenfalls direkt am Spielplatz, sauber und neu), denn wenn die Gurte einmal angelegt sind, wird der Toilettengang zeitraubend. Und dann geht’s schon rein in den neuen Kletterwald. 15 Minuten vor der gebuchten Zeit sollte man da sein, um sich anzumelden.
Unser erster Rundgang hinterlässt einen guten Eindruck. Die alte Anlage in den Süchtelner Höhen besaß zwar mehr "Waldfeeling", denn sie lag tief im Wald, ohne angrenzende Wohnhäuser, doch insgesamt sieht die neue Anlage sehr schön, gepflegt und durchdacht aus. Ausserdem ist die Anfahrt zum neuen Standort um einiges unkomplizierter als zu den Süchtelner Höhen.
Die Sicherheitseinweisung erfolgt auf einer kleinen Plattform direkt am Eingang. Die Mitarbeiterin teilt die Gurte aus, wir ziehen sie zusammen nach Anweisung an,
sie zurrt am Rücken noch einmal alles fest und erklärt dann, wie wir uns mit den Karabinern ins System einklinken. Was sich im ersten Moment immer erst einmal wahnsinnig kompliziert anhört,
ergibt sich dann beim Klettern wie von selbst. Viel falsch machen kann man nicht. Man ist recht schnell routiniert. Learning by doing! Das merke ich sehr schnell.
Nach einem ersten Probeparcours, kann es auch schon losgehen. Die Parcours starten alle vom Dach des Verwaltungshauses (vereint Anmeldung, Kasse, Kiosk, Info und Gurtrückgabe) und sind beschriftet: Indianer, Pirat, Seilbahn, Fitness, Trimm-Dich, Abenteuer, Indianer Jones und Risiko. Wer den Risiko-Parcours klettern will, benötigt vorher eine weitere, kleine Einweisung, da das System dort eine Besonderheit aufweist (Kupplung).
Wer lange nicht mehr oder noch nie geklettert ist, sollte sich vielleicht erst einmal in nicht ganz so schwindelerregende Höhe begeben, sondern sich langsam rantasten und die Schwierigkeitsstufe nach und nach erhöhen. Daher startet man am besten mit dem leichtesten, den Indianer-Parcours (Höhe 2- 4 Meter). Wir schlagen diese Empfehlung in den Wind und beginnen mit dem Seilbahn-Parcours (Höhe 3-8 Meter), denn der hört sich nach dem meisten Fun an. Seilbahnfahren! Das lieben wir! Doch der Anfang startet nicht ganz unhaarig und sehr wackelig. Ich kämpfe nach der ersten Station mit der steilen Steigung. Die zweite Plattform schon fast erreicht, verliere ich das Gleichgewicht und werde zurückgerissen und rolle zurück, weil ich blöderweise den zweiten Karabiner zusätzlich eingehakt habe. Also den mit der mitlaufenden Rolle, den man für die Seilbahn benötigt und mit dem man sich eigentlich - aber nicht gerade bei starken Steigungen - grundsätzlich doppelt absichern sollte. Huch! Autsch! Kleine Schürfung am Bein, jedoch nicht der Rede wert. Dennoch bereue ich, nicht etwas leichter gestartet zu haben, um erst einmal ein wenig Routine zu entwickeln und nach und nach meinen inneren Schweinehund zu überwinden. Aber nachdem die erste Seilbahnabfahrt hinter mir liegt, ist der Rest des Parcours null problemo!
Danach überwinden wir den Piraten-Parcours (3-5 Meter Höhe). Etwas sportlicher wird es dann schon beim Trimm-Dich-Parcours (3-6 Meter) und Fitness Parcours (3-7
Meter). Zwischendurch erholen wir uns beim Indianer-Parcours und kämpfen uns dann eine halbe Stunde durch den Abenteuer-Parcours in bis zu 10 Metern Höhe von Baum zu Baum. Aufgrund der Höhe
und der Entfernungen zwischen den Stationen, ist der Parcours schon recht anspruchsvoll und körperlich anstrengend. Und so sind wir nicht traurig,
dass danach unsere Kletterzeit (inkl. Einweisung 3 Stunden) schon beendet ist. Denn für eine weitere Runde müssten wir definitiv erst einmal neue Energie tanken und eine größere Pause einlegen.
Meine Hände brennen (ich reagiere auf Nickel und zusätzlich auf Desinfektionsmittel). Daher empfehle ich ähnlich
empfindlichen Leuten Kletter- bzw. Fahrradhandschuhe. Wir legen die Gurte ab, picknicken noch ein bisschen am Rastplatz, holen uns am Kiosk ein Eis und schauen beim Risiko-Parcours (bis zu 14
Meter Höhe) zu ("Den müssen wir beim nächsten Mal auf jeden Fall machen!") Den Indianer-Jones-Parcours (etwa gleichwertig mit dem Abenteuer-Parcours) haben wir ebenfalls nicht
mehr geschafft.
Fazit: Insgesamt sind alle Stationen sehr abwechslungsreich gestaltet. Uns wurde auf jeden Fall nicht langweilig und die Muskulatur hat ordentlich arbeiten dürfen. Mal saust man mit der Seilbahn auf
einem Teller oder in seinen Gurten hängend von einem Baum zu anderen, dann überquert man die Distanz bequem auf einer Kiste hockend oder surft mit dem Skateboard (das fand ich persönlich sehr
tricky und schwierig) oder Brettern auf die andere Seite. Es gibt herausfordernde Balance-Acts auf schmalen Bändern und Drahtseilen, wackelige Seil- und Holzbrücken und Kletterwände aus
Holz oder Netz. Die Griffhöhen variieren, je nach Schwierigkeitsgrad, von 1,50m (z.B. Indianer) bis 1,75 m (z.B. Seilbahn). Für den Risiko-Parcours muss man die Griffhöhe von 2m
erreichen.
Oberstes Gebot beim Klettern: Nicht zu lange nachdenken oder runterschauen! Einfach machen und fliegen!
Ein toller Nachmittag! Ein toller Kletterwald! Sehr nettes Personal und super gelegen. Unbedingt empfehlenswert! Nicht nur für Adrenalinjunkies. Im nächsten Jahr sollen noch zwei kleinere Spaß-Parcours entstehen.
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